Übung für respektvolles Miteinander

Langwedel – In der Aula der Oberschule am Goldbach bewegen sich rund 20 Siebtklässler einigermaßen chaotisch durch den Raum. Dies ändert sich schlagartig, als Cora Hirsch das Kommando gibt: „Bildet eine Linie“, ruft sie. „Wenn ihr meint, ihr steht, geht ihr wieder auseinander.“ Weiter weist sie die Schüler an, eine Doppellinie, eine Diagonale oder einen Pulk zu bilden. Seit Beginn des Schuljahrs läuft hier donnerstagnachmittags immer der Wahlpflichtkurs „Darstellendes Spiel“.

„An Oberschulen gibt es diesen Kurs normalerweise nicht“, sagt Schulleiter Rolf Bartels. „Aber wir sehen darin eine große Chance“, betont er. „Man muss sich vorstellen, dass manche Schüler nach dem langen Lockdown ein respektvolles Miteinander erst wieder lernen mussten.“ 500 Schüler lernen nun wieder in Präsenz in dem neuen Schulgebäude an der Suhrfeldstraße. „Diese soziale Dichte ist nun für viele eine Herausforderung“, so Bartels. Darstellendes Spiel als Fach, das auf den ersten Blick nicht für das berufliche Fortkommen verwertbar ist, soll helfen, diese zu meistern. „Das Präsentieren der eigenen Körperlichkeit empfinden Schüler gerade in dem Alter erst mal als unangenehm“, so Bartels. Durch Übung könnten die Schüler diese Scham überwinden und zu mehr Selbstvertrauen finden, wovon sie auch in anderen Fächern profitieren würden. Dies gelte insbesondere für Schüler, die wegen eines Förderbedarfs oder sprachlicher Defizite zusätzlich unsicher seien.

Für dieses völlig neue Angebot an der Oberschule Langwedel hat die Französisch- und Englischlehrerin Cora Hirsch am Oldenburger Fortbildungszentrum (OFZ) Grundlagen der Theaterpädagogik erlernt. Aufgrund von pandemiebedingten Verzögerungen schließt sie damit erst im März 2022 ab. „An meiner Schule gab es früher keinen Kurs für darstellendes Spiel“, erzählt Hirsch. Theater habe sie aber immer fasziniert.

In den theaterpädagogischen Spielen könnten die Schüler ihre Kreativität entfalten, etwa, indem sie Requisiten und Spielorte selbst bestimmen. Gerade in der aktuellen Situation tue dies vielen gut, glaubt Hirsch. Die Gruppe gebe ihnen erkennbar Sicherheit und Vertrauen. So sei es vielen Kursteilnehmern anfangs schwergefallen, anderen Feedback zu geben. Dann stellte Hirsch den Schülern immer wieder die Aufgabe, drei positive Sachen über die anderen Teilnehmer zu sagen – und viele könnten dies mittlerweile aussagekräftig formulieren.

In einer Spielübung sollen die Schüler eine kleine Geschichte in Gromolo vorspielen. Das ist eine Theatersprache, in der die Akteure nur mit Lauten Gefühle ausdrücken. Vier Jugendliche stellen eine Szene mit Hund dar. Das Tier lernt mit Mühe, was der Mensch von ihm will, rennt dann plötzlich auf die Straße und wird von einem Auto überfahren. „Man hat deutlich gesehen, was ihr gespielt habt“, lobt eine Schülerin. „Die verschiedenen Emotionen waren zu erkennen: erst Freude und dann Trauer und Verzweiflung“, ergänzt Cora Hirsch. In der Übung „Augen auf, Augen zu“ stellen Schüler eine Schlüsselszene aus einem Märchen dar. Zwei sitzen erhöht, einer versucht zu ihnen hinaufzukommen. Dass es sich um Rapunzel handelt, erkennen die anderen sofort. Eine weitere Gruppe stellt auf tänzerische Weise Bewegungsqualitäten dar: Groß und klein, rund und eckig lauten die Vorgaben. Dazwischen wählen sie eine Pose, die sie für wenige Sekunden halten müssen.

Der zwölfjährige Emim und Leonie, 13, wirken danach gelöst und begeistert. „Das macht richtig viel Spaß“, sagt Leonie. Beide berichten, dass sie anfangs keine hohen Erwartungen hatten. „Aber ich habe hier sogar Freunde gefunden“, erzählt Emim. Einige Übungen seien ihm anfangs peinlich gewesen, „aber jetzt ist das normal für mich. Ich schäme mich nicht mehr, weil wir uns jetzt ja kennen“.

 

Quelle: Verdener-Aller.-Zeitung vom 26.11.2021

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