Langwedel – Von einer „Zeitenwende“ für Europa sprach Bundeskanzler Olaf Scholz im Hinblick auf die russische Invasion in der Ukraine Ende Februar dieses Jahres. Ganz neu ist diese Rhetorik nicht: Bereits das Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 markierte in Europa eine Zeitenwende. So zeigt eine aktuelle Ausstellung des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge an der Oberschule am Goldbach in Langwedel, wie sich aus dem Anliegen, nie wieder Krieg in Europa erleben zu wollen, nach und nach die europäische Staatengemeinschaft bildete.

Erstellt hat der Volksbund diese Schau mit dem Titel „Zeitenwende ‘45“ schon im Jahr 2020, berichtet Karl-Friedrich Boese, Bildungsreferent beim Bezirksverband Lüneburg-Stade. Durch die erwähnten politischen Entwicklungen in Osteuropa erhält sie nun eine ganz neue Brisanz, hob auch Peter Bohlmann, als Landrat und Kreisvorsitzender des Volksbunds, bei der Eröffnung hervor. Zwei Wochen lang wird sich der gesamte zehnte Jahrgang inhaltlich mit der Wanderausstellung auseinandersetzen. Möglich gemacht haben dies engagierte Schüler der Klasse 10a.

In sechs Kapiteln erzählt die Ausstellung von 1945 an die Etappen des europäischen Einigungsprozesses über das Ende des Ostblocks und den Zerfall der Sowjetunion, das der US-amerikanische Politikwissenschaftler Francis Fukuyama als „Ende der Geschichte“ bezeichnete, bis hin zu erneuten Spaltungen wie dem Brexit. Auf drei Stellwänden mit 45 Schautafeln sowie historischen Fotos und Plakaten angereichert, geht die jeweils letzte Seite auf den Volksbund im jeweils behandelten geschichtlichen Kontext ein.

„Ihr seid die aktivste Schule, die wir haben“, hob Bildungsreferent Boese lobend hervor. Zur Einordnung: Karl-Friedrich Boese ist in elf Landkreisen für alle weiterführenden Schulen zuständig.

Zum einen ist es bereits die dritte Ausstellung, die die Klasse 10a vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge an die Oberschule geholt hat. Darüber hinaus sind einige der Schüler in ihrer Freizeit im #projektfrieden aktiv, das gerade in Kooperation mit dem Volksbund mehrere Eisen im Feuer hat: So erarbeiten die Projektteilnehmer Gedenktafeln für im Zweiten Weltkrieg gefallene Soldaten auf dem Daverdener Friedhof, die der Volksbund finanzieren will. Als kleine Geste des Entgegenkommens ziehen die Schüler los, um Spenden für den Volksbund einzuwerben. Und nicht zuletzt wollen die Schüler von #projektfrieden dieses Jahr den Volkstrauertag aktiv mitgestalten.

30237572 bilder die zur diskussion anregen oberschueler der 10a hier leon meyer manja felsch und josef uyar suchen anhand der arbeitsblaetter nach antworten d70

Wenn man so aktive Schüler hat, ist anschaulicher Unterricht schon fast ein Selbstläufer. Als Derik Eicke, Leiter des Fachbereichs Geschichtlich-soziale Weltkunde (GSW), seinen Schülern zu Beginn des Schuljahrs die geplanten Unterrichtsthemen vorstellte, musste er nicht lange warten: „Sucht mal was Interessantes zum Thema Nachkriegsdeutschland heraus“, lautete der Arbeitsauftrag. Schülerin Manja Felsch hatte die Idee, die Ausstellung „Zeitenwende ‘45“ nach Langwedel zu holen. „Ich habe es im Internet recherchiert und vorgeschlagen“, erzählt die Schülerin. Durch vorherige Aktivitäten der Klasse 10a sei es ihr nicht ganz neu gewesen, dass der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge Schulprojekte als festen Bestandteil der Erinnerungsarbeit versteht. Die Unterstützung von Klassenlehrerin Julia Brandt und ihrem Kollegen Derik Eicke war den Jugendlichen ebenfalls gewiss.

„Heute steht vieles wieder auf dem Prüfstand“, richtete Schulleiter Rolf Bartels bei der Ausstellungseröffnung das Wort an die baldigen Absolventen. Ein friedliches Europa sei keine Selbstverständlichkeit mehr. Man müsse sich daher heute fragen: „Was hält uns zusammen?“

„Hätten wir diese Ausstellung vor einem Jahr eröffnet, hätten wir wahrscheinlich wesentlich optimistischer und euphorischer draufgeblickt“, stellte Peter Bohlmann als Kreisvorsitzender der Organisation mit Blick auf den seit Monaten währenden russischen Angriffskrieg fest. Viele Politiker der Nachkriegszeit hätten „den Schrecken des Krieges noch erlebt, und haben darum alles daran gesetzt, dass es nie wieder Krieg geben soll“, so Bohlmann. Doch bereits kurz nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, der Europa teilte, hätten europäische Staaten im Jugoslawienkrieg erneut zu den Waffen gegriffen. Vor dem Hintergrund der neuesten Entwicklungen stelle sich die Frage nach dem Wert von Frieden und letztlich auch der Demokratie.

Die Ausstellung greift auf Themen vor, die die Schüler noch im Unterricht behandeln werden. Einen Einstieg ermöglichte die Ausstellungseröffnung, bei der sich die Schüler der 10a gleich mithilfe von auf die Schau abgestimmten Arbeitsblättern auf die Suche nach Antworten machten. Dabei war es nicht notwendig, sich dicht vor den Stellwänden zu drängen. „Wir sind ja heutzutage digital“, erklärt Eicke. Viele fotografierten sich gleich relevante Schautafeln ab, um später im Klassenraum jederzeit einen Blick darauf werfen zu können. Das Gespräch mit Mitschülern helfe, die durchaus komplexen Inhalte einzuordnen. „Das müssen wir jetzt erst mal durcharbeiten und verstehen“, meinte ein Schüler.
Go to top